Film als Mittel von Change Management
Filme werden in Unternehmen vor allem als Mittel der Kommunikation mit Kunden genutzt. Der Imagefilm – im Unterschied zu einem Werbespot oder Werbefilm – verfolgt in der Regel keinen unmittelbaren Verkaufsgedanken, sondern soll zu einer positiven Wahrnehmung und Imageverbesserung des Unternehmens beitragen und somit mindestens mittelfristig auch wirtschaftliche Erfolge einbringen. Damit zielt ein gut erdachter und produzierter Imagefilm direkt auf die Emotionen des Betrachters ab. Der Zuschauer sieht, hört und fühlt das, was er im Video sieht. Grundsätzlich gemeinsam ist solchen Filmen, dass keine Bilderteppiche gezeigt werden oder langatmige Erklärungen lediglich illustriert werden. Kommunikationsmittel ist das Storytelling.
Dabei werden Betrachtern Wissen, Ideen, Produkte oder sonstige Informationen durch konstruierte oder reale Geschichten vermittelt. Die emotionalisierende Wirkung von Geschichten ermöglicht es, dass die vermittelte Information gut aufgenommen und langfristig im Gedächtnis verankert wird.
Natürlich können Fime aber auch nach innen, mit der Zielrichtung auf die eigenen Mitarbeiter eingesetzt werden. Und hier setzt der Gedanke des Change Managements an: Identifikation und Engagement mit der Organisation bzw. dem Unternehmen sind keine Selbstverständlichkeiten. Wenn man durch Organisationsentwicklung Veränderungen herbeiführen will, entsteht immer auch ein Reflexions- und Veränderungsprozess in den Köpfen. Den gilt es kommunikativ und prozessual zu begleiten, um die emotionale Bindung und Identifikation der Mitarbeiter zu steigern und das, was die Organisation ausmacht, lebendig werden zu lassen.
Was eignet sich besser dazu solche Kohärenz- und Identifikationsprozesse auszulösen, zu unterstützen und zu fördern als filmische Mittel? Ein Film schafft emotionale Momente, transportiert Stimmungen, vermittelt Informationen und begeistert. Ein Film erzählt eine Geschichte. Und Geschichten bleiben besser und länger im Gedächtnis. Ziel jeder Kampagne ist, die jeweilige Organisation oder das Unternehmen nach innen und außen erlebbar zu machen. Es geht nicht nur um das Finden neuer, sondern ebenso um das Binden der bestehenden Mitarbeiter. Im Mittelpunkt des Films stehen dabei die Mitarbeiter als authentische Botschafter für „ihr“ Unternehmen. Das, was nach außen dargestellt wird, muss intern Realität sein. Nur so kann eine Organisation sowohl von Mitarbeitern als auch von potentiellen Bewerbern als glaubwürdiges Unternehmen wahrgenommen werden.
Als Beispiel für eine Geschichte, die eine Organisation lebendig werden lässt, möchte ich an dieser Stelle den folgenden Film einfügen:
Es ist ein Film über drei junge Menschen, die sich freiwillig für den Dienst in der Bundeswehr entschieden haben. Eine Reportage. Kein Werbeprojekt mit Millionenbudget, sondern eine schlichte Dokumentation des Lebens über 12 Wochen Grundausbildung. Für Rebecca M., Konstantin M. und Christian H. ist der 1.4.2015 ein ganz besonderer Tag. Sie haben sich nach langer Auseinandersetzung mit der Thematik des Dienstes mit der Waffe entschlossen, in die Bundeswehr einzutreten. Damit beginnt nicht nur wie bei anderen Berufsanfängern in zivilen Berufen eine Ausbildung, sondern sie begeben sich in eine andere Welt. Der Alltag in einer militärischen Organisation ist in weiten Bereichen von Regeln und Ordnungen bestimmt, die sich sehr von denen im bisherigen Zivilleben unterscheiden: Disziplin, der Begriff des „Dienstes“ für Ideen und Werte, das Zusammenleben mit fremden Menschen, die man „Kameraden“ nennt, auf engem Raum, die Unterordnung in eine durch Befehl und Gehorsam geprägte Hierarchie.
Der Film schildert am Beispiel der drei Protagonisten die besondere Atmosphäre, das was die Bundeswehr aus der Perspektive junger Leute ausmacht, die sich für Gedanken über eine Bewerbung in den Streitkräften machen. Tobias Brenner, Medienwissenschaftler, analysiert den Film:
„Hier liegt im Übrigen für MICH das Faszinierende: Wie oben schon erwähnt, gibt es zwar Szenen, in denen Disziplin herrscht, die Rekruten still stehen und anfangen zu marschieren. Aber es ist schon bemerkenswert, dass für mich alles insgesamt sehr familiär, menschlich, alltäglich (einschließlich des Unterrichts) und für die Rekruten TROTZDEM (oder gerade deswegen?) sinnstiftend und Halt gebend wirkt. Der Blick hinter die Kulissen wirkt auf mich wirklich interessant und aufschlussreich: Die Beteiligten wirken trotz der Disziplin wie Menschen mit Ecken und Kanten und eben nicht wie gleichgeschaltete Roboter (außer eben in den “Stillgestanden”-Szenen, was aber in der Natur der Sache liegt). Es entsteht gleich der Eindruck, dass die Ausbildung den jungen Rekruten irgendetwas zu geben scheint: Was das genau ist, wird zwar noch nicht deutlich, erscheint mir zu diesem Zeitpunkt allerdings auch noch nicht wichtig zu sein – das Entscheidende ist, dass es im Film ständig in der Luft liegt und für mich als Zuschauer spürbar wird. .“
Damit leistet der Film das, was Employer Branding ausmacht: Eine Organisation bzw. Unternehmen positiv abzuheben oder überhaupt erst zu positionieren. Obwohl mein Film nicht als Auftragsarbeit für die Bundeswehr entstand, sondern lediglich positiv begleitet und unterstützt wurde, erreichte er über YouTube, Facebook, Vimeo bis jetzt über 60.000 Adressaten. Und dies ohne durch eine Kampagne oder einen Werbeetat unterstützt worden zu sein.
Der Film als Intervention im Rahmen eines Change-Prozesses
Ein weiterer Schritt bei der Verwendung filmtechnischer Mittel im Zusammenhang der Organisationsentwicklung zeigt der folgende Film aus einem schulischen Umfeld:
Schüler der 10. Klasse einer Werkrealschule stellen selbst ein wesentliches Merkmal „ihrer“ Schule vor. Dabei fungieren sie im Sinne der Mitarbeiter einer Organisation, die „ihr“ Unternehmen positiv von anderen abheben und attraktiv darstellen. Der Geist der Schule wird in der Geschichte der Jugendlichen nach innen für ihre Mitschüler und ebenso nach außen erlebbar. Eltern, andere Jugendliche, potentielle Ausbildungsbetriebe werden positiv gegenüber der Schule und in Bezug auf ihre Schüler eingestimmt. Die Protagonisten des Films sind die besten Botschafter ihrer Schule.
Aber die Produktion des Films mit den Schülern löste noch viel mehr aus. Während der Dreharbeiten kam es immer wieder zu Diskussionen und Reflexionen über das, was gerade geschieht. Die Einstellung der Schüler zu ihrem Tun und zu ihrer Schule wurde selbst Gegenstand des Denkens und dabei veränderte sich die Haltung der Jugendlichen zusehends zum Positiven. Deutlich wird das in den später selbst produzierten „Werbefilmen“ über ihre Schule:
Das was hier mit Jugendlichen in einer Schule funktionierte, lässt sich auch auf andere Organisationen und Unternehmen übertragen. Im Folgenden möchte ich anhand eines typischen Change-Management-Prozesses die Rolle filmischer Elemente verdeutlichen.
Zuerst einmal ein wenig Theorie
Vorab muss gesagt werden: Es gibt keinen Königsweg. Da in der Organisationsentwicklung die ins Auge gefassten Systeme als lebendige, dynamische Gebilde begriffen werden, die immer in einer Eigendynamik stehen, sind die Vorgänge bei einer solchen Maßnahme immer höchst individuell und von den Strukturen und Prozessen innerhalb der jeweiligen Organisation abhängig.
Lernen in Maßnahmen der Organisationsentwicklung geschieht nicht in kognitiven Klärungen von Management-Theorien, wie es z. T. in Fortbildungsseminaren von Firmen und Behörden angeboten wird. Erfahrungsorientiertes Lernen greift weiter und bezieht sich auf das Persönlichkeitsmodell von Carl Rogers, der betonte, dass sich effektives Lernen immer auf drei unterschiedlichen Erfahrungsebenen bezieht:
- die kognitiven Ebene
- die emotionalen Ebene
- die aktionalen Ebene
Fortbildung muss immer alle „drei Straßen des Lernens“ ansprechen, wenn das Gelernte Niederschlag in Einstellungs- und Verhaltensänderungen finden soll.
Patentlösungen funktionieren nicht und wer einfach versucht, anderen nachzuahmen, wird in der Regel schnell feststellen, dass die erhoffte Wirkung ausbleibt. Lösungen und Strategien müssen individuell auf das jeweilige Unternehmen abgestimmt sein.
Change-Management ist keine kommunikative Einbahnstraße nach dem Motto: Wir stellen uns jetzt mal gut dar… Vielmehr ist es ein permanenter Kommunikationsprozess, der auf Transparenz, Feedback und Weiterentwicklung setzt. Bei allen OE-Maßnahmen ist nicht nur das Ergebnis am Ende wichtig, sondern gleichrangig ist auch der Prozess, der dorthin führt. In der Regel besteht eine enge Wechselwirkung zwischen Weg und Ziel, das „Wie“ bestimmt oft das „Was“. Und auch wenn das Ergebnis am Ende einer Problemlösungsphase nahezu identisch mit der Vorgabe etwa eines externen Fachberaters wäre, hat ein Resultat, das von einer Gruppe von Betroffenen gemeinsam erarbeitet wurde immer eine andere Qualität. Oft gilt sogar der konfuzianische Leitspruch „Der Weg ist das Ziel“, wenn es etwa gilt, Prozesse offenzulegen, die zu bestimmten Strukturen führen.
In einem Prozess der Organisationsentwicklung gemeinsam gewonnene und klar formulierte Aussagen über die elementaren Fragen „Woher kommen wir?“, „Wer sind wir?“, „Was bewegt uns?“ „Was wollen wir?“ bilden die Eckpfeiler einer Organisation, indem sie bei ihren Mitgliedern die Sinnhaftigkeit ihres Tuns klärt. Gleichzeitig wird damit die prinzipelle Vielfalt aller Möglichkeiten sinnvoll eingeschränkt, Komplexität reduziert und somit innerhalb eines definierten Rahmens die Selbstorganisation ermöglicht. Gleichzeitig präsentiert sich erst durch eine eigene Organisationsidentität das System markant und unverwechselbar gegenüber seiner Umwelt und bildet so die „Außengrenze“, die letztlich den Zusammenhalt im Inneren ermöglicht.
Wie können filmische Maßnahmen dazu beitragen?
Soweit die Theorie, jetzt wird es praktisch. Soll etwa eine begrenzte Zahl von Menschen gemeinsam eine Arbeitsaufgabe übernehmen, findet in der Regel vor Beginn der eigentlichen Arbeit eine Teambildungssitzung statt. Dort werden folgende Fragen geklärt:
Vision und Mission des Teams:
Wo wollen wir gemeinsam hin? Warum sind wir überhaupt zusammen? Was ist unsere Aufgabe?
Identität des Teams:
Wer sind wir als Team? Wie sehen wir uns (Dies kann als Gleichnis, Bild oder Metapher formuliert werden)?
Werte, Einstellungen, Überzeugungen:
Was ist uns wichtig in Bezug auf unser Projekt? Was ist unsere Grundhaltung? Woran glauben wir?
Fähigkeiten:
Was können wir? Welche Fähigkeiten brauchen wir noch?
Verhalten:
Was genau tun wir? Wie wird unser Projekt konkret?
Umwelt:
Woran können wir und andere erkennen, dass wir unsere Aufgabe erfüllt und unsere Ziele erreicht haben?
Im videogestützen Ansatz von Change Management wäre es nun Aufgabe des Teams, an einem Fall aus der Praxis diese Punkte in einem kurzen Video von maximal fünf Minuten festzuhalten. Da dieser Film ja in aller Regel keine Außenwirksamkeit haben wird, sind keine besonderen filmtechnischen Anforderungen zu stellen. So zeigen meine Erfahrungen, dass solche Videos in aller Regel mit modernen Smartphones und wenigen Hilfsmitteln gut gelöst werden können. Allerdings sollte vor dieser Aufgabe im Zuge eines Einführungslehrgangs grundlegende Möglichkeiten und Grenzen, Methoden und einfache Techniken filmischer Aufnahmen von einem Coach eingeführt werden, um unnötige Frustrationen zu vermeiden.
Schon während der Filmaufnahmen ergeben sich in aller Regel lebhafte Diskussionen. Vordergründig wird es dabei oft um filmtechnische Probleme gehen, wobei aber unterschwellig, auf einer anderen Ebene die eigentlichen Probleme im Sinne eines Change-Management-Prozesses angegangen werden und zu inhaltlichen Reflektionen, Einsichten und evtl. sogar zu Veränderungen des Arbeitsprozesses führen.
In einem zweiten Schritt sollten nun diese Diskussionen vertieft und analysiert werden. Dazu ist ein Coach nötig, der anhand des Prozesses der Videoerstellung auf die virulenten Punkte eingeht und eine Klärung herbeiführt. Oft ist das erstellte Filmmaterial geeignet, das „Beweismaterial“, die Daten für die Veränderungspunkte zu liefern.
Im dritten Teil müssen dann diese festgestellten Veränderungspunkte fixiert werden. Dies kann traditionell in schriftlicher Form geschehen. Alternativ wäre allerdings auch ein revidierter Film möglich, der mit Unterstützung des Coachs vielleicht sogar für Maßnahmen der Außenwirksamkeit im Sinne eines Employer Branding brauchbar ist.
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