Eine Rezension: Ursula Werther-Pietsch: Kollektive Sicherheit 2030. Globale Friedenssicherung im Wandel.

Man mag es fast nicht denken, aber es gibt neben Corona tatsächlich noch das eine oder andere andersartige Problem auf unserem Erdball. Dass es Aufgaben wie kollektive Sicherheit und globale Friedenssicherung gibt, gerät uns angesichts der Herausforderungen durch das SARS-CoV-2-Virus fast aus dem Blickfeld. Und so war ich sehr dankbar über die Gelegenheit, aus dem Pandemie-Tunnelblick auszubrechen, als mich Ursula Werther-Pietsch vor einigen Wochen anfragte, ob ich eine Rezension über ihr neuestes Buch „Kollektive Sicherheit 2030. Globale Friedenssicherung im Wandel“ verfassen würde. Die Autorin arbeitet im österreichischen Außenministerium, ist Mitglied der Wissenschaftskommission des BMLV,  Gastforscherin am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie sowie Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen darunter auch der Universität der Bundeswehr München.

Ursula Werther-Pietsch: Kollektive Sicherheit 2030. Globale Friedenssicherung im Wandel. Republik Österreich / Bundesministerium für Landesverteidigung. Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 3/2020, ISBN 978-3-903121-82-9

Sicherheitspolitische Themen sind für Laien eine schwer zu durchdringende Materie. In verstärktem Maße trifft dies für die aktuelle Gegenwart zu, in der durch den grundlegenden Wandel der US-Außenpolitik unter Präsident Donald Trump, der neuen Rolle Chinas als selbstbewusster Global Player, dem Großmachtstreben Russlands und der Erschütterung des Selbstverständnisses der EU durch die auseinanderstrebenden Tendenzen angefangen vom Brexit bis hin zu Finanzkrisen und der Politik einiger osteuropäischer Mitglieder das Feld kollektiver Sicherheit vor einer Unmenge von Herausforderungen steht.

Mit einem knapp 363 Seiten starken Buch – unter dem Titel “Kollektive Sicherheit 2030. Globale Friedenssicherung im Wandel” – hat sich  Ursula Werther-Pietsch der Aufgabe gestellt, die Grundlagen zum besseren Verstehen der Grundlagen internationalen Krisen- und Konfliktmanagements zu vermitteln.

Wie gut dies gelungen ist, soll in dieser kurzen Rezension einem prüfenden Blick unterzogen werden. Der Verlag hat mir hierzu dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Ursula Werther-Pietsch arbeitet im österreichischen Außenministerium, ist Mitglied der Wissenschaftskommission des BMLV, derzeit ist sie Gastforscherin am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie. Habilitation im Fach Völkerrecht und Internationale Beziehungen. Außerdem ist sie Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen darunter auch die Universität der Bundeswehr München mit den Schwerpunkten internationales Recht und internationale Organisationen, Menschenrechte, Menschliche Sicherheit, Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Entwicklungspolitik, „Comprehensive Approach“. Sie ist Autorin und Herausgeberin von 13 Büchern. Zuletzt war sie verantwortlich für die Erarbeitung der Strategie der Bundesregierung zur österreichischen Entwicklungspolitik 2019-2021 und des Strategischen Leitfadens Sicherheit und Entwicklung. Initiatorin des österreichischen 3C Ansatzes auf dem Gebiet Sicherheit und Entwicklung.

Die Autorin versteht ihr neuestes Werk als „Handbuch zum Diskutieren“. Diesem Anspruch wird es schon allein durch den klaren Aufbau gerecht, der den Fluss der Gedanken immer wieder durch Zusammenfassungen mit „Must-Know-Texten“ als lexikalische Sammlung wichtiger Grundlagen unterbricht. Dies und immer wiederkehrende Begriffsbestimmungen ermöglicht es auch Lesern, die nicht hauptberuflich mit Sicherheitspolitik befasst sind, sich in die grundlegenden Fakten der Geschichte des globalen Krisen- und Konfliktmanagements einzuarbeiten. Ursula Werther-Pietsch startet ihre Tour d’horizon mit einem weltpolitischen Lagebild, das gekennzeichnet ist durch  eine „BigDeal“-Mentalität, protektionistisches Denken, neue Autokratieformen und Populismus im Westen wie im Osten sowie die COVID-19 Krise. Diese Faktoren – so die Autorin – sind im Begriff, das internationale Gesprächsklima und den etablierten Multilateralismus nachhaltig zu verändern. Im Hintergrund läuft ein neues Wettrüsten.

Drei dominante Akteure prägen das sicherheitspolitische Bild, USA, Russland und China – eine bedeutende Abweichung von der Konstellation bei Entstehung der UN-Charta und im Kalten Krieg. Dazu kommt eine Neuordnung, die sich in Asien und im arabischen Raum sowie im „Erwachen“ Lateinamerikas anbahnt, mit dem Brexit auch die Europäische Union erfasst hat und ganz besonders die Politik der USA prägt. Alle diese Erscheinungen überlagern die alten Fragen nach den Antagonismen von Macht und Diplomatie, Souveränität und Selbstbestimmung, Realismus und Idealismus, Legitimität und Sicherheit.

Ursula Werther-Pietsch sieht darin die Notwendigkeit begründet, dass die Konzepte internationaler Sicherheit ausbalanciert und neu beantwortet werden müssen. Die tragenden Pfeiler für „Peace and security, development and human rights“, so formuliert im Schlussdokument des UN Reformgipfels 2005, sieht sie als die umfassendste globale Bemühung um kollektive friedliche und inklusive Konfliktbearbeitung und -transformation in der Geschichte der Menschheit und als Grundlage des heutigen Verständnisses von Internationalem Krisen- und Konfliktmanagement. Schlüssig erscheint so, dass die Autorin nun ausführlich den Policy-Rahmen, die Aktionsbereiche und die Akteure für externes Engagement  vorstellt. Anhand von „Meilensteinen“ wird nun die Dynamik der UN-Friedenssicherungsarchitektur angefangen von der Gründung über die neueren Ansätze seit 1992 bis zur Agenda 2030 mit dem „Sustaining-Peace-Ansatz“ vorgestellt. Das zweite Drittel des Buches beginnt mit einer Vision, der „Multipolaren Antwort auf eine geänderte Welt“ und endet dann auf knapp vierzig Seiten mit Schlussfolgerungen und neuen Impulsen, welche das internationale Krisen- und Konfliktmanagement fit für das 21. Jahrhundert machen könnten und sollten.

Am Schluss werden die wesentlichen Handlungsfelder im Detail geschildert wie humanitäre Hilfe, Peacekeeping, Mediation und Konfliktvermittlung, Friedenskonsolidierung, Transitional Justice, Demobilisation, Disarmament, Reintegration, Statebuilding, Konflikttransformation- und prävention. Ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis über mehr als 20 Seiten rundet dieses äußerst gelungene Werk ab und macht es zu einem unentbehrlichen Handbuch für jeden, der sich tiefer in die komplexe Materie globaler Friedenssicherung einarbeiten will.

Zum Autor

Dr. Walter Korinek ist freier Journalist, promovierter Sozialwissenschaftler, Autor fachwissenschaftlicher Publikationen vorwiegend im Bereich Organisations-entwicklung und war bis 2018 Schulleiter. Als Filmemacher ist er u.a. Autor von zwei Dokumentationen über sicherheitspolitische Themen. 2015 nahm er an einer InfoDVAg der Luftwaffe teil, seit einigen Jahren ist er Mitglied der Gesellschaft für Sicherheitspolitik.

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